Stampflehm
Aus Erde geformt!
Zur Geschichte des Stampflehmbaues
Am Anfang ist es krümelige, feuchte Erde. Gezwängt in Schalungen, gepresst mit Stampfwerkzeugen entstehen am Ende schwere, monolithisch wirkende Wandbauteile. Wir sprechen von der Urform des Bauens mit Lehm, dem Stampflehmbau, auch „ rammed earth“ genannt, französisch „pise“, „tapial“ auf spanisch und „terra battuta“ im italienischen. Zeugnisse dieser traditionellen Lehmbauweise sind auf allen Kontinenten unserer Erde zu finden.
Cointereaux, Gilly, Wimpf
Die europäischen Stampflehm-baumeister des 18. und 19. Jahrhunderts heißen Francois Cointereaux, David Gilly oder Wilhelm Jacob Wimpf. Zeugnisse ihres Wirkens finden wir heute noch in Südfrankreich, Norditalien und Zentralspanien. Im Westen Deutschlands vor allem in Weilburg an der Lahn.
Die historischen Aufsätze des französischen Architekten und Baumeisters Francois Cointereaux erschienen 1790 unter dem Titel „Ecole d’architekture rurale“ . Schon 1793 erschien die überarbeitete, deutsche Übersetzung des Philosophie-professors Christian Ludwig Seebaß. Sie nannte sich: „Die Pise Baukunst, in ihrem ganzen Umfang, oder vollständige und fachliche Beschreibung des Verfahrens, aus bloßer gestampfter Erde, ohne weitere Zutat, Gebäude und Mauerwerk von aller Art wohlfeil, dauerhaft, feuerfest, und sicher gegen Einbruch auszuführen“.
50er Jahre, damalige DDR
In den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts wurden in der ehemaligen DDR tausende von Gebäuden in Stampflehmbauweise errichtet. Ganze Siedlungen mit ein- oder zweigeschossiger Bebauung finden wir u.a. in den thüringischen Orten Mücheln, Zerbst und Gotha.
USA, Australien, China
Die Vertreter des heutigen, modernen Stampflehmbaues sind der Amerikaner David Easton, der vor allem im heißen Süden der USA „Rammed Earth Houses“ baut. Viele neue „Earth“ Gebäude in USA, Australien, China und anderen Ländern sind sehr oft mit (Zement) stabilisierten Stampflehm errichtet. Diese Stampflehmmischungen sind in Deutschland und vielen anderen Ländern nicht erforscht und unbekannt, weil sie die Eigenschaften des Materials stark verändern.
N. Meunier, Martin Rauch
Nicolas Meunier („Construire en terre: Le Pise“) aus Frankreich ist ein weiterer Vertreter und natürlich der Österreicher Martin Rauch, der auch in Deutschland verschiedene Projekte realisiert hat. Sein im Jahre 2000 realisierter Stampflehmbau der „Kapelle der Versöhnung“ in Berlin-Mitte, hat auch in Deutschland diese Bauweise wieder bekannter gemacht.
Renaissance einer alten Technik
Erst seit wenigen Jahren erleben wir im modernen Lehmbau eine Renaissance dieser alten Technik. Die ästhetische und architektonische Ausdruckskraft der oft archaisch anmutenden Stampflehmbauteile ist neben den sehr guten raumklimatischen Effekten, ein weiterer Grund für die Wiederbelebung dieser alten Bauweise. Die unterschiedlich erdfarbige Struktur des Materials bleibt sichtbar, und die Wand kann im noch plastischen Zustand an der Oberfläche bearbeitet werden. Der Übergang von handwerklicher zu künstlerischer Ausführung ist fließend.
Die Farben der Erde
Heutige Planungen erfolgen oft als Synthese von konventionellen Baustoffen wie Holz, Stahl, Glas, Beton oder Naturstein mit dem Erdbaustoff. Stampflehmwände werden als Innen- oder Außenwände, als Raumteiler, als gestalterisches Bauteil, als Speichermasse für die passive Sonnenenergienutzung, für Vorratshäuser, als Ofenbauteil oder als (freistehende) dekorative Mauern oder Wände im Außenbereich (Einfriedungen) gebaut. Ob gebogen, verwinkelt, schräg, fallend oder ansteigend, als schiefe Ebenen, mit großen oder kleinen Öffnungen versehen, als tragendes oder nicht tragendes Wandbauteil, der Fantasie von Bauherren und Planern sind gestalterisch nur wenig Grenzen gesetzt.
Großprojekte
Als besondere Beispiele des modernen Stampflehmbaus in Deutschland gelten neben der „Kapelle der Versöhnung“, dass große Hauptgebäude der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde Karlsruhe – Baptisten. Oder auch der Neubau der eigenen Unternehmenszentrale auf dem Alnatura Campus in Darmstadt 2019.
Vorfertigung
In den letzten Jahren hat die Vorfertigung von Stampflehm-bauteilen für größere Gebäude, an Bedeutung gewonnen. Sie wird die Zukunft des Stampflehmbaues besonders prägen.
Geeignet für die Architektur des Klimawandels?
Eine immer größere Bedeutung findet die Verwendung von Stampflehmbauteilen als Klimaelement, in Gebäuden mit unterschiedlicher Nutzung. Allein mit den Materialeigenschaften des Lehms, ohne zusätzlichen Energieaufwand, kann das Raumklima spürbar positiv beeinflusst werden.
Lehmbau Regeln des DVL
Die Stampflehmbautechnik ist seit längerem Bestandteil des Regelwerkes „Lehmbau Regeln“ des Dachverbandes Lehm e.V. in Weimar und in fast allen Bundesländern der Bundesrepublik auch bauaufsichtlich, als anerkannte Bauart der Gegenwart eingeführt.
Schauen sie sich unsere großen und kleinen Projekte der letzten 20 Jahre an.
Jörg Depta, LehmBauWerk Berlin